V-Antrag: | Für eine klima- und energiepolitische Wende! |
---|---|
Antragsteller*in: | Grüne Jugend Leipzig (dort beschlossen am: 03.07.2020) |
Status: | Angenommen |
Abstimmungsergebnis: | Ja: 15, Nein: 0, Enthaltungen: 9 |
Eingereicht: | 04.07.2020, 10:44 |
V4-183: Für eine klima- und energiepolitische Wende!
Antragstext
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Landwirtschaft durch Dürren und Wetterextreme stark von Klimaveränderungen betroffen ist. Die heutigen Strukturen in der Landwirtschaft entsprechen aufgrund des Gefangenendilemmas weder den Interessen der Landwirtschaftsbetriebe, noch denen der Verbraucher*innen oder den Belangen des
Für eine klima- und energiepolitische Wende!
Die Klimakrise bedroht in nie dagewesener Weise unsere Lebensgrundlagen und
schon heute leiden viele Menschen, insbesondere im Globalen Süden, unter ihren
Folgen. Uns bleiben nur noch wenige Jahre Zeit, um die Erderwärmung auf ein
"erträgliches" Maß einzudämmen und unsere Lebensgrundlagen zu schützen. Die
Klimakrise ist längst zu einer sozialen Krise geworden. Jene, die am wenigsten
Schuld tragen, leiden am stärksten. Wir wollen Klimagerechtigkeit. Dafür ist die
Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens unabdingbar.
Um dieses Ziel mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit zu erreichen darf
weltweit nur noch eine Menge von 420 Gt CO2-Äquivalenten ausgestoßen werden. Auf
Deutschland entfällt dabei ein Anteil von 3,1 Gigatonnen - Stand Anfang 2019.
Bei den durchschnittlichen, jährlichen Emissionen von ca. 0,8 Gt pro Jahr in
Deutschland ist dieses Budget bald aufgebraucht. Für die Einhaltung dieses
weltweiten Treibhausgasbudgets ist eine schnelle Transformation hin zur
Klimaneutralität zwingend. Sachsen muss bis zum Jahr 2030 klimaneutral werden.
Das Pariser Klimaabkommen ist Völkerrecht und damit auch für Sachsen bindend.
Wir erwarten, dass sich die sächsische Staatsregierung daran hält und alles
nötige unternimmt um dieses Ziel zu erreichen.Für alle neuen Gesetze und
Gesetzesänderungen muss der Klimavorbehalt gelten: Gesetze, die den Weg zur
Klimaneutralität versperren, dürfen nicht verabschiedet werden. Im Bundesrat
muss sich Sachsen konsequent für Klimaschutz einsetzen, z. B für die Einführung
eines CO2-Preises, der den tatsächlichen gesellschaftlichen Kosten entspricht.
Für uns ist klar: Wir werden das Klima nur durch einen Systemwandel retten
können. Künftige sächsische Klimaschutzprogramme und -maßnahmen dürfen deshalb
nicht nur technische Maßnahmen enthalten, sondern müssen den
Systemwandelbefördern .
Die in diesem Antrag beschriebenen Maßnahmen sind aus unserer Sicht
unverzichtbar für den Beginn einer Transformation hin zur Klimaneutralität. Wir
fordern die sächsische Staatsregierung auf, diese Maßnahmen umzusetzen und in
der anstehenden Novelle des Energie- und Klimaschutzprogramms festzuschreiben.
Wir erwarten konkrete Festlegungen und Ziele der sächsischen Regierung im
Energie- und Klimaschutzprogramm. Die Ziele dürfen dabei nicht rein auf den
Energiesektor beschränkt bleiben, sondern müssen selbstverständlich alle
Sektoren umfassen.
1. Dekarbonisierung des Stromsektors
Der Stromsektor ist in Sachsen der größte THG-/CO2-Verursacher. Gleichzeitig ist
er auch derjenige Sektor, der am einfachsten zu dekarbonisieren ist, weshalb
dies am schnellsten geschehen muss. Sachsen hat genügend Potentiale, um den
Eigenbedarf an Strom mit Erneuerbaren Energien decken zu können und darüber
hinaus auch noch exportieren zu können.
Braunkohleausstieg
Ein großer Teil der Energie in Sachsen wird heute noch auf Basis von Braunkohle
gewonnen. Diese Energieproduktion ist extrem ineffektiv und stößt
unverhältnismäßig viel CO2 aus.
Wir fordern deshalb den klimapolitisch notwendigen Braunkohleausstieg bis 2025
in Sachsen. Wir müssen jetzt die Rahmenbedingungen schaffen, damit der Ausstieg
zu diesem Zeitpunkt möglich wird.
Um dieses Ziel zu erreichen …
… muss sich die sächsische Regierung im Bundesrat konsequent für einen
Kohleausstieg bis 2025 einsetzen.
… müssen die ineffizientesten und klimaschädlichsten Kraftwerke sofort
abgeschaltet werden.
… darf es keinerlei neue Genehmigungen für neue Tagebauflächen geben. Bisherige
Genehmigungen, die die Einhaltung des CO2-Buget verhindern, müssen wieder
entzogen werden.
… eine Bestandsgarantie sowohl für Pödelwitz in Mitteldeutschen
Braunkohlerevier, als auch für Mühlrose in der Lausitz. Wir solidarisieren uns
mit allen Menschen, die sich für den Erhalt der Dörfer einsetzen.
… vollumfängliche und sofort zu leistende Sicherheitsleistungen für die Kosten
der späteren Wiedernutzbarmachung von den Tagebaubetreibern.
… muss das Land Sachsen sofort die Erhebung von Wasserentnahmeentgelten und
Förder- und Feldesabgaben von Tagebauen in Anspruch nehmen.
Ausbau Erneuerbarer Energien
Wir brauchen einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien,
Speicherkapazitäten und der Stromnetze um zukünftig eine ausreichende und
grundlastfähige Energieversorgung sicherzustellen.
Im Zentrum steht dabei der massive Ausbau neuer Solar- und Windenergieanlagen,
sowie die Erneuerung und Repowering bestehender Anlagen, um die durch den
Braunkohleausstieg wegfallenden Stromerzeugungskapazitäten zu kompensieren und
darüber hinaus Mehrbedarfe durch die verstärkte Sektorkopplung abdecken zu
können.
Wir fordern dazu die folgenden Maßnahmen:
… ein optimalerweise etwa gleich verteilter Ausbau von Photovoltaik- und
Windenergieanlagen, sodass diese sich in ihren Eigenschaften optimal ergänzen
können.
… den Abbau rechtlicher, bürokratischer Hürden und die Schaffung zusätzlicher
Anreize, Förderungen und Hilfen zur Beschleunigung des Ausbaus. Eine
naturschutzkonforme Planung und die Beachtung ökologischer Belange ist dabei für
uns selbstverständlich.
… die schnellstmögliche Ausweisung von ausreichend Flächen für den Bau von
Windkraftanlagen durch regionalen Planungsverbände, um einen 1,5-Grad-konformen
Ausbau zu ermöglichen.
… keinerlei pauschale Abstandsregelungen und Verbote für Windkraftanlagen im
Wald zu erlassen. Pauschale Regelungen sind nicht zielführend, da sie die
örtlichen Gegebenheiten vollkommen außer Acht lassen.
… die Beteiligung der Bürger*innen und Kommunen im Planungsprozess, um gezielt
auf die örtlichen Gegebenheiten eingehen zu können und die Akzeptanz vor Ort zu
sichern.
… eine finanzielle Beteiligung der Kommunen über eine Gewinnabgabe und eine
einfache Möglichkeit für Bürger*innen durch Anteile an Windenergieanlagen, z.B.
über Genossenschaften finanziell zu profitieren.
… die Ausschöpfung der Möglichkeiten in brachliegenden ehemaligen Tagebauflächen
großflächige Windparks und Solarparks zu errichten.
… die Förderung von Agrophotovoltaik, um den flächenhaften Ausbau von
Photovoltaik-Energie in Einklang mit den Interessen der Landwirtschaft zu
bringen, den Flächenverbrauch zu minimieren und für Landwirt*innen finanzielle
Anreize zu schaffen.
… massive Förderprogramme für kleine Solaranlagen inklusive kleiner, dezentraler
Speicher, um das Potential von Photovoltaik auf bebauten Flächen wie Dächern
ausschöpfen zu können.
… eine Vereinfachung der Grünstromvermarktung generell und insbesondere für
Kleinsterzeuger*innen erheblich vereinfachen.
… nachhaltig und sichere finanzielle Unterstützung der Forschung an neuen
Technologien zur Erhöhung der Effizienz und Beschleunigung des Ausbaus
Erneuerbarer Energien.
Zur Sicherstellung einer sicheren Stromversorgung muss der Ausbau Erneuerbarer
Energien vom Ausbau der Speicherkapazitäten und der Netzte flankiert werden.
Eine möglichst dezentrale und öffentliche Energieversorgungung ermöglicht ebenso
wie eine verstärkte Sektorkopplung flexibel auf Schwankungen der Stromerzeugung
zu reagieren und damit Versorgungssicherheit zu garantieren.
Stromversorgung als öffentliche Daseinsvorsorge
Die Energiewende muss ein umfassender Umbau sein und auch zur Demokratisierung
des Stromsektors genutzt werden. Bürger*innenenergie und die Rekommunalisierung
sind maßgeblich dafür. Stromversorgung ist Teil der Daseinsvorsorge nicht zur
Profitmaximierung von Konzernen gedacht.
Wir fordern das Land auf, kommunale Projekte und Projekte von Bürger*innen
finanziell massiv zu unterstützen.
2. Verkehrswende
Im Verkehrssektor stammt immer noch ein großer Teil der Energie aus fossilen
Quellen. Jegliche Effizienzsteigerung wird dabei durch eine Erhöhung des
Verkehrsaufkommens zunichte gemacht. Aus diesem und anderen Gründen sind im
Verkehr keine nennenswerten Emissionseinsparungen zu beobachten. Im Kampf gegen
die Klimakrise und für klimafreundliche Mobilität für alle fordern wir deshalb
innerhalb dieser Legislaturperiode:
… die Verringerung der Entfernungen die zum Erreichen alltäglicher Ziele
zurückgelegt werden müssen, v. a. im ländlichen Raum.
… den Stopp von Straßenneu- und Ausbauprojekten um ein weiter erhöhtes
Verkehrsaufkommen zu vermeiden.
… keinerlei neue Anreize für Straßengüterverkehr zu schaffen und stattdessen den
Ausbau von Schienengütertrassen mit Umsetzung von Lärmschutzmaßnahmen
voranzutreiben.
… die schnellstmögliche Elektrifizierung aller sächsischer Bahnstrecken.
… die schnellstmögliche Einstellung des innerdeutschen Flugverkehrs von und zu
den Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden.
Um den Menschen in Sachsen eine gute Alternative zum motorisierten
Individualverkehr zu bieten fordern wir für den Öffentlichen Verkehr:
… eine groß angelegte Reaktivierungsoffensive von Bahnstrecken.
… abseits von Bahnstrecken den Ausbau des PlusBus-Netzes.
… die Bedienung aller Orte in Sachsen mit dem ÖPNV von 05-24h mindestens im
Stundentakt.
… auf landesbedeutsamen Verbindungen mindestens einen Halbstundentakt.
… die Anbindung des Raums Chemnitz an den Fernverkehr durch Ausschreibungen von
Fernverkehrsleistungen durch den Freistaat Sachsen.
Zur Stärkung des Radverkehrs in Sachsen fordern wir:
… den Bau von Radwegen an allen ortsverbindenden Staatstraßen.
… den schnellstmöglichen Bau von Radschnellwegen in den Ballungsräumen.
3. Wärme
Wärme macht einen Großteil des Gesamtenergieverbrauchs in Sachsen aus. Die
erheblichen Einsparpotentiale im Bereich Wärme müssen daher zügig genutzt
werden.
Daher fordern wir für den Wärmesektor noch in dieser Legislaturperiode:
… eine umfangreiche finanzielle Förderung für die energetische Gebäudesanierung
(Verbesserung der Dämmung, Austausch von Heizsystemen, usw.).
… bei Neubauten den Passivhausstandard als energetischen Mindeststandart
festzulegen.
… konsequente Abwärmenutzung beispielsweise aus Industrieprozessen und
Rechenzentren.
… eine erhebliche Einsparung des Wärmeenergiebedarfs von Wohnhäusern mit Hilfe
von Solarthermieanlagen auf Dächern, z.B. durch ein Landesförderprogramm.
… die verstärkte Nutzung von Wärmepumpen und oberflächennaher Geothermie.
… eine Verringerung der beheizten Wohnfläche pro Person anzustreben, z.B. durch
die Förderung gemeinschaftlicher Wohnformen.
… das Schaffen einer besonderen Vorbildfunktion staatlicher Gebäude (wie
Behörden, Universitäten, Schulen, Ministerien) durch hohe Wärme- und
Energiestandards.
4. Industrie
In der sächsischen Industrie, insbesondere der Stahl- und Chemieindustrie,
entstehen große Mengen an Treibhausgasen, welche nicht durch eine Umstellung auf
erneuerbare Energien direkt vermieden werden können. Wir fordern:
… nur Technologien zu fördern, welche eine Reduktion der Treibhausgasemissionen
bewirken.
… die Subvention und Forschungsförderung von klimaschonenden Alternativen wie
dem Einsatz von Wasserstoff in der Stahlreduktion.
… den CO2-Ausstoß in der Produktion sämtlicher Produkte und Dienstleistungen
durch eine Kennzeichungspflicht auszuweisen.
… bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ist grundsätzlich die klimafreundlichste
Alternative zu bevorzugen.
5. Landwirtschaft
Die Landwirtschaft hat die größte Flächennutzung in Sachsen und trägt mit
erheblichen Treibhausgasemissionen zum Klimawandel bei, obwohl die
Landwirtschaft durch Dürren und Wetterextreme stark von Klimaveränderungen
betroffen ist. Die heutigen Strukturen in der Landwirtschaft entsprechen
aufgrund des Gefangenendilemmas weder den Interessen der
Landwirtschaftsbetriebe, noch denen der Verbraucher*innen oder den Belangen des
Umwelt- und Naturschutzes.
Wir fordern deshalb:
… nur ökologische Landwirtschaft zu fördern. Sie sichert Bodenqualität und
Biodiversität.
… Abbau bürokratischer Hürden zur Beantragung von Förderungen.
… Reduktion von Produktion und Konsum tierischer Produkte im Sinne von Klima-
und Ressourcenschutz.
… die Minimierung konventioneller Tierhaltung. Zusätzlich darf diese keinerlei
Fördergelder mehr erhalten.
… die Unterstützung der pflanzlichen Ernährung durch standardmäßige
Verfügbarkeit in öffentlichen Kantinen. Nur eine regionale bio-vegane
Ernährungsweise ist global nachhaltig und gehört standardmäßig gefördert.
… frühzeitige Aufklärungsarbeit über Umwelt- und Klimafolgen von Tierproduktion
und -konsum bereits in Schulen und Kitas .
… die Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe.
… die Existenzsicherung kleiner regionaler Höfe.
… einen angemessenen Verkaufspreis, welcher bei den bei den Produzent*innen
ankommt.
… die Förderung des regionalen Futtermittelanbaus im Zuge einer Reduktion der
Tierhaltung, um lange Transportwege und die Rodung von Regenwald im globalen
Süden zum Futtermittelanbau zu verhindern.
… die Erneuerung des Grundstückverkehrsgesetz in Sachsen, um den Erwerb
landwirtschaftlicher Nutzflächen durch internationale Agroinvestor*innen zu
verhindern.
… den Umbau von Biogasanlagen zu fördern, sodass Energie aus der Vergärung von
Wirtschaftsdüngern und Reststoffen gewonnen wird. Keine Nutzung von Pflanzen,
welche eigens dafür angebaut werden müssen.
… die Wiedervernässung von Mooren sowie die Aufforstung von Wäldern. Dies ist
essenziell für CO2- Kompensation und Negativemissionen.
… Förderung von Humusaufbau durch Vorgabe einer standort- und betriebsgerechten
Mindestfruchtfolge, die auch humusmehrende Feldfrüchte verwendet.
6. Die Klimakrise als Systemkrise
Zuerst braucht es ein sofortiges Ende aller klimaschädlicher Investitionen,
Subventionen und Förderungen. Das Land Sachsen muss alle Beteiligungen
offenlegen und mit aktivem Divestment jegliche finanzielle Mittel aus fossilen,
klimaschädlichen Beteiligungen abziehen.
Je weniger Energie verbraucht wird, desto einfacher ist Klimaneutralität zu
erreichen. Klimaschutzpolitik sollte also immer auch die Verringerung des
Energieverbrauches zum Ziel haben.
In einem kapitalistischen Wirtschaftssystem, das nicht ohne Wachstum
funktioniert, ist dies jedoch nicht möglich. Effizienzgewinne lassen sich nur in
begrenztem Maße erreichen und werden durch erhöhten Konsum aufgefressen.
Wir fordern deshalb eine Abkehr vom fossilen Kapitalismus hin zu einer
Wirtschaftsweise und Politik, die sich an den Bedürfnissen der Menschen und den
natürlichen Grenzen unseres Planeten orientiert.
Diese Transformation ist eine gesellschaftliche, der Staat kann sie nicht
verordnen, sondern muss die kommenden tiefgreifenden Veränderungen begünstigen
statt sie zu blockieren.
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Landwirtschaft durch Dürren und Wetterextreme stark von Klimaveränderungen betroffen ist. Die heutigen Strukturen in der Landwirtschaft entsprechen aufgrund des Gefangenendilemmas weder den Interessen der Landwirtschaftsbetriebe, noch denen der Verbraucher*innen oder den Belangen des
Für eine klima- und energiepolitische Wende!
Die Klimakrise bedroht in nie dagewesener Weise unsere Lebensgrundlagen und
schon heute leiden viele Menschen, insbesondere im Globalen Süden, unter ihren
Folgen. Uns bleiben nur noch wenige Jahre Zeit, um die Erderwärmung auf ein
"erträgliches" Maß einzudämmen und unsere Lebensgrundlagen zu schützen. Die
Klimakrise ist längst zu einer sozialen Krise geworden. Jene, die am wenigsten
Schuld tragen, leiden am stärksten. Wir wollen Klimagerechtigkeit. Dafür ist die
Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens unabdingbar.
Um dieses Ziel mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit zu erreichen darf
weltweit nur noch eine Menge von 420 Gt CO2-Äquivalenten ausgestoßen werden. Auf
Deutschland entfällt dabei ein Anteil von 3,1 Gigatonnen - Stand Anfang 2019.
Bei den durchschnittlichen, jährlichen Emissionen von ca. 0,8 Gt pro Jahr in
Deutschland ist dieses Budget bald aufgebraucht. Für die Einhaltung dieses
weltweiten Treibhausgasbudgets ist eine schnelle Transformation hin zur
Klimaneutralität zwingend. Sachsen muss bis zum Jahr 2030 klimaneutral werden.
Das Pariser Klimaabkommen ist Völkerrecht und damit auch für Sachsen bindend.
Wir erwarten, dass sich die sächsische Staatsregierung daran hält und alles
nötige unternimmt um dieses Ziel zu erreichen.Für alle neuen Gesetze und
Gesetzesänderungen muss der Klimavorbehalt gelten: Gesetze, die den Weg zur
Klimaneutralität versperren, dürfen nicht verabschiedet werden. Im Bundesrat
muss sich Sachsen konsequent für Klimaschutz einsetzen, z. B für die Einführung
eines CO2-Preises, der den tatsächlichen gesellschaftlichen Kosten entspricht.
Für uns ist klar: Wir werden das Klima nur durch einen Systemwandel retten
können. Künftige sächsische Klimaschutzprogramme und -maßnahmen dürfen deshalb
nicht nur technische Maßnahmen enthalten, sondern müssen den
Systemwandelbefördern .
Die in diesem Antrag beschriebenen Maßnahmen sind aus unserer Sicht
unverzichtbar für den Beginn einer Transformation hin zur Klimaneutralität. Wir
fordern die sächsische Staatsregierung auf, diese Maßnahmen umzusetzen und in
der anstehenden Novelle des Energie- und Klimaschutzprogramms festzuschreiben.
Wir erwarten konkrete Festlegungen und Ziele der sächsischen Regierung im
Energie- und Klimaschutzprogramm. Die Ziele dürfen dabei nicht rein auf den
Energiesektor beschränkt bleiben, sondern müssen selbstverständlich alle
Sektoren umfassen.
1. Dekarbonisierung des Stromsektors
Der Stromsektor ist in Sachsen der größte THG-/CO2-Verursacher. Gleichzeitig ist
er auch derjenige Sektor, der am einfachsten zu dekarbonisieren ist, weshalb
dies am schnellsten geschehen muss. Sachsen hat genügend Potentiale, um den
Eigenbedarf an Strom mit Erneuerbaren Energien decken zu können und darüber
hinaus auch noch exportieren zu können.
Braunkohleausstieg
Ein großer Teil der Energie in Sachsen wird heute noch auf Basis von Braunkohle
gewonnen. Diese Energieproduktion ist extrem ineffektiv und stößt
unverhältnismäßig viel CO2 aus.
Wir fordern deshalb den klimapolitisch notwendigen Braunkohleausstieg bis 2025
in Sachsen. Wir müssen jetzt die Rahmenbedingungen schaffen, damit der Ausstieg
zu diesem Zeitpunkt möglich wird.
Um dieses Ziel zu erreichen …
… muss sich die sächsische Regierung im Bundesrat konsequent für einen
Kohleausstieg bis 2025 einsetzen.
… müssen die ineffizientesten und klimaschädlichsten Kraftwerke sofort
abgeschaltet werden.
… darf es keinerlei neue Genehmigungen für neue Tagebauflächen geben. Bisherige
Genehmigungen, die die Einhaltung des CO2-Buget verhindern, müssen wieder
entzogen werden.
… eine Bestandsgarantie sowohl für Pödelwitz in Mitteldeutschen
Braunkohlerevier, als auch für Mühlrose in der Lausitz. Wir solidarisieren uns
mit allen Menschen, die sich für den Erhalt der Dörfer einsetzen.
… vollumfängliche und sofort zu leistende Sicherheitsleistungen für die Kosten
der späteren Wiedernutzbarmachung von den Tagebaubetreibern.
… muss das Land Sachsen sofort die Erhebung von Wasserentnahmeentgelten und
Förder- und Feldesabgaben von Tagebauen in Anspruch nehmen.
Ausbau Erneuerbarer Energien
Wir brauchen einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien,
Speicherkapazitäten und der Stromnetze um zukünftig eine ausreichende und
grundlastfähige Energieversorgung sicherzustellen.
Im Zentrum steht dabei der massive Ausbau neuer Solar- und Windenergieanlagen,
sowie die Erneuerung und Repowering bestehender Anlagen, um die durch den
Braunkohleausstieg wegfallenden Stromerzeugungskapazitäten zu kompensieren und
darüber hinaus Mehrbedarfe durch die verstärkte Sektorkopplung abdecken zu
können.
Wir fordern dazu die folgenden Maßnahmen:
… ein optimalerweise etwa gleich verteilter Ausbau von Photovoltaik- und
Windenergieanlagen, sodass diese sich in ihren Eigenschaften optimal ergänzen
können.
… den Abbau rechtlicher, bürokratischer Hürden und die Schaffung zusätzlicher
Anreize, Förderungen und Hilfen zur Beschleunigung des Ausbaus. Eine
naturschutzkonforme Planung und die Beachtung ökologischer Belange ist dabei für
uns selbstverständlich.
… die schnellstmögliche Ausweisung von ausreichend Flächen für den Bau von
Windkraftanlagen durch regionalen Planungsverbände, um einen 1,5-Grad-konformen
Ausbau zu ermöglichen.
… keinerlei pauschale Abstandsregelungen und Verbote für Windkraftanlagen im
Wald zu erlassen. Pauschale Regelungen sind nicht zielführend, da sie die
örtlichen Gegebenheiten vollkommen außer Acht lassen.
… die Beteiligung der Bürger*innen und Kommunen im Planungsprozess, um gezielt
auf die örtlichen Gegebenheiten eingehen zu können und die Akzeptanz vor Ort zu
sichern.
… eine finanzielle Beteiligung der Kommunen über eine Gewinnabgabe und eine
einfache Möglichkeit für Bürger*innen durch Anteile an Windenergieanlagen, z.B.
über Genossenschaften finanziell zu profitieren.
… die Ausschöpfung der Möglichkeiten in brachliegenden ehemaligen Tagebauflächen
großflächige Windparks und Solarparks zu errichten.
… die Förderung von Agrophotovoltaik, um den flächenhaften Ausbau von
Photovoltaik-Energie in Einklang mit den Interessen der Landwirtschaft zu
bringen, den Flächenverbrauch zu minimieren und für Landwirt*innen finanzielle
Anreize zu schaffen.
… massive Förderprogramme für kleine Solaranlagen inklusive kleiner, dezentraler
Speicher, um das Potential von Photovoltaik auf bebauten Flächen wie Dächern
ausschöpfen zu können.
… eine Vereinfachung der Grünstromvermarktung generell und insbesondere für
Kleinsterzeuger*innen erheblich vereinfachen.
… nachhaltig und sichere finanzielle Unterstützung der Forschung an neuen
Technologien zur Erhöhung der Effizienz und Beschleunigung des Ausbaus
Erneuerbarer Energien.
Zur Sicherstellung einer sicheren Stromversorgung muss der Ausbau Erneuerbarer
Energien vom Ausbau der Speicherkapazitäten und der Netzte flankiert werden.
Eine möglichst dezentrale und öffentliche Energieversorgungung ermöglicht ebenso
wie eine verstärkte Sektorkopplung flexibel auf Schwankungen der Stromerzeugung
zu reagieren und damit Versorgungssicherheit zu garantieren.
Stromversorgung als öffentliche Daseinsvorsorge
Die Energiewende muss ein umfassender Umbau sein und auch zur Demokratisierung
des Stromsektors genutzt werden. Bürger*innenenergie und die Rekommunalisierung
sind maßgeblich dafür. Stromversorgung ist Teil der Daseinsvorsorge nicht zur
Profitmaximierung von Konzernen gedacht.
Wir fordern das Land auf, kommunale Projekte und Projekte von Bürger*innen
finanziell massiv zu unterstützen.
2. Verkehrswende
Im Verkehrssektor stammt immer noch ein großer Teil der Energie aus fossilen
Quellen. Jegliche Effizienzsteigerung wird dabei durch eine Erhöhung des
Verkehrsaufkommens zunichte gemacht. Aus diesem und anderen Gründen sind im
Verkehr keine nennenswerten Emissionseinsparungen zu beobachten. Im Kampf gegen
die Klimakrise und für klimafreundliche Mobilität für alle fordern wir deshalb
innerhalb dieser Legislaturperiode:
… die Verringerung der Entfernungen die zum Erreichen alltäglicher Ziele
zurückgelegt werden müssen, v. a. im ländlichen Raum.
… den Stopp von Straßenneu- und Ausbauprojekten um ein weiter erhöhtes
Verkehrsaufkommen zu vermeiden.
… keinerlei neue Anreize für Straßengüterverkehr zu schaffen und stattdessen den
Ausbau von Schienengütertrassen mit Umsetzung von Lärmschutzmaßnahmen
voranzutreiben.
… die schnellstmögliche Elektrifizierung aller sächsischer Bahnstrecken.
… die schnellstmögliche Einstellung des innerdeutschen Flugverkehrs von und zu
den Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden.
Um den Menschen in Sachsen eine gute Alternative zum motorisierten
Individualverkehr zu bieten fordern wir für den Öffentlichen Verkehr:
… eine groß angelegte Reaktivierungsoffensive von Bahnstrecken.
… abseits von Bahnstrecken den Ausbau des PlusBus-Netzes.
… die Bedienung aller Orte in Sachsen mit dem ÖPNV von 05-24h mindestens im
Stundentakt.
… auf landesbedeutsamen Verbindungen mindestens einen Halbstundentakt.
… die Anbindung des Raums Chemnitz an den Fernverkehr durch Ausschreibungen von
Fernverkehrsleistungen durch den Freistaat Sachsen.
Zur Stärkung des Radverkehrs in Sachsen fordern wir:
… den Bau von Radwegen an allen ortsverbindenden Staatstraßen.
… den schnellstmöglichen Bau von Radschnellwegen in den Ballungsräumen.
3. Wärme
Wärme macht einen Großteil des Gesamtenergieverbrauchs in Sachsen aus. Die
erheblichen Einsparpotentiale im Bereich Wärme müssen daher zügig genutzt
werden.
Daher fordern wir für den Wärmesektor noch in dieser Legislaturperiode:
… eine umfangreiche finanzielle Förderung für die energetische Gebäudesanierung
(Verbesserung der Dämmung, Austausch von Heizsystemen, usw.).
… bei Neubauten den Passivhausstandard als energetischen Mindeststandart
festzulegen.
… konsequente Abwärmenutzung beispielsweise aus Industrieprozessen und
Rechenzentren.
… eine erhebliche Einsparung des Wärmeenergiebedarfs von Wohnhäusern mit Hilfe
von Solarthermieanlagen auf Dächern, z.B. durch ein Landesförderprogramm.
… die verstärkte Nutzung von Wärmepumpen und oberflächennaher Geothermie.
… eine Verringerung der beheizten Wohnfläche pro Person anzustreben, z.B. durch
die Förderung gemeinschaftlicher Wohnformen.
… das Schaffen einer besonderen Vorbildfunktion staatlicher Gebäude (wie
Behörden, Universitäten, Schulen, Ministerien) durch hohe Wärme- und
Energiestandards.
4. Industrie
In der sächsischen Industrie, insbesondere der Stahl- und Chemieindustrie,
entstehen große Mengen an Treibhausgasen, welche nicht durch eine Umstellung auf
erneuerbare Energien direkt vermieden werden können. Wir fordern:
… nur Technologien zu fördern, welche eine Reduktion der Treibhausgasemissionen
bewirken.
… die Subvention und Forschungsförderung von klimaschonenden Alternativen wie
dem Einsatz von Wasserstoff in der Stahlreduktion.
… den CO2-Ausstoß in der Produktion sämtlicher Produkte und Dienstleistungen
durch eine Kennzeichungspflicht auszuweisen.
… bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ist grundsätzlich die klimafreundlichste
Alternative zu bevorzugen.
5. Landwirtschaft
Die Landwirtschaft hat die größte Flächennutzung in Sachsen und trägt mit
erheblichen Treibhausgasemissionen zum Klimawandel bei, obwohl die
Landwirtschaft durch Dürren und Wetterextreme stark von Klimaveränderungen
betroffen ist. Die heutigen Strukturen in der Landwirtschaft entsprechen weder den Interessen der
aufgrund des Gefangenendilemmas
Landwirtschaftsbetriebe, noch denen der Verbraucher*innen oder den Belangen des
Umwelt- und Naturschutzes.
Wir fordern deshalb:
… nur ökologische Landwirtschaft zu fördern. Sie sichert Bodenqualität und
Biodiversität.
… Abbau bürokratischer Hürden zur Beantragung von Förderungen.
… Reduktion von Produktion und Konsum tierischer Produkte im Sinne von Klima-
und Ressourcenschutz.
… die Minimierung konventioneller Tierhaltung. Zusätzlich darf diese keinerlei
Fördergelder mehr erhalten.
… die Unterstützung der pflanzlichen Ernährung durch standardmäßige
Verfügbarkeit in öffentlichen Kantinen. Nur eine regionale bio-vegane
Ernährungsweise ist global nachhaltig und gehört standardmäßig gefördert.
… frühzeitige Aufklärungsarbeit über Umwelt- und Klimafolgen von Tierproduktion
und -konsum bereits in Schulen und Kitas .
… die Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe.
… die Existenzsicherung kleiner regionaler Höfe.
… einen angemessenen Verkaufspreis, welcher bei den bei den Produzent*innen
ankommt.
… die Förderung des regionalen Futtermittelanbaus im Zuge einer Reduktion der
Tierhaltung, um lange Transportwege und die Rodung von Regenwald im globalen
Süden zum Futtermittelanbau zu verhindern.
… die Erneuerung des Grundstückverkehrsgesetz in Sachsen, um den Erwerb
landwirtschaftlicher Nutzflächen durch internationale Agroinvestor*innen zu
verhindern.
… den Umbau von Biogasanlagen zu fördern, sodass Energie aus der Vergärung von
Wirtschaftsdüngern und Reststoffen gewonnen wird. Keine Nutzung von Pflanzen,
welche eigens dafür angebaut werden müssen.
… die Wiedervernässung von Mooren sowie die Aufforstung von Wäldern. Dies ist
essenziell für CO2- Kompensation und Negativemissionen.
… Förderung von Humusaufbau durch Vorgabe einer standort- und betriebsgerechten
Mindestfruchtfolge, die auch humusmehrende Feldfrüchte verwendet.
6. Die Klimakrise als Systemkrise
Zuerst braucht es ein sofortiges Ende aller klimaschädlicher Investitionen,
Subventionen und Förderungen. Das Land Sachsen muss alle Beteiligungen
offenlegen und mit aktivem Divestment jegliche finanzielle Mittel aus fossilen,
klimaschädlichen Beteiligungen abziehen.
Je weniger Energie verbraucht wird, desto einfacher ist Klimaneutralität zu
erreichen. Klimaschutzpolitik sollte also immer auch die Verringerung des
Energieverbrauches zum Ziel haben.
In einem kapitalistischen Wirtschaftssystem, das nicht ohne Wachstum
funktioniert, ist dies jedoch nicht möglich. Effizienzgewinne lassen sich nur in
begrenztem Maße erreichen und werden durch erhöhten Konsum aufgefressen.
Wir fordern deshalb eine Abkehr vom fossilen Kapitalismus hin zu einer
Wirtschaftsweise und Politik, die sich an den Bedürfnissen der Menschen und den
natürlichen Grenzen unseres Planeten orientiert.
Diese Transformation ist eine gesellschaftliche, der Staat kann sie nicht
verordnen, sondern muss die kommenden tiefgreifenden Veränderungen begünstigen
statt sie zu blockieren.
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