Veranstaltung: | 2. Landesmitgliederversammlung 2020 |
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Tagesordnungspunkt: | 2. Inhaltliche Anträge |
Status: | Beschluss |
Abstimmungsergebnis: | Ja: 26, Nein: 0, Enthaltungen: 0 |
Beschluss durch: | Landesmitgliederversammlung |
Beschlossen am: | 04.07.2020 |
Eingereicht: | 14.07.2020, 21:59 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Queeres Leben diskriminierungsfrei ermöglichen - in Sachsen, Deutschland und überall
Beschlusstext
Aufgrund der sich ausbreitenden Corona-Pandemie müssen große CSDs in diesem Jahr
leider weltweit ausfallen. Dabei wirkt die momentane Krise jedoch wie ein
Brennglas auf die Herausforderungen der queeren Community rund um den Globus.
Obwohl seit drei Jahren für gleichgeschlechtliche Paare die Möglichkeit besteht,
sich trauen zu lassen ("Ehe für alle") und obwohl in diesem Jahr ein Teilverbot
von Konversionstherapien (Behandlungen, bei denen die sexuelle Orientierung
verändert/beeinflusst werden soll) durch den Bundestag und Bundesrat beschlossen
wurde, sind auch hier in Deutschland und Sachsen noch viele Schritte zu gehen.
Noch immer ist es erlaubt, Konversionstherapien an jungen Erwachsenen (18-26
Jahre) durchzuführen, weil das gesetzliche Verbot nur für Minderjährige gilt.
Aber gerade junge Menschen, die sich noch inmitten ihrer Coming-Out-Verläufe und
familiären Abhängigkeiten befinden, gilt es besonders in der Entfaltung ihrer
Persönlichkeit zu schützen. Außerdem gibt es eine Ausnahmeregelung für Eltern:
Sie dürfen weiterhin diese gefährlichen Eingriffe (beispielsweise
Psychotherapie, Lichttherapie, Homöopathie bis hin zu Elektroschocktherapie)
durchführen - das ist falsch! Konversionstherapien verstärken die beim Coming-
out ohnehin bestehende Angst vor Stigmatisierung, Diskriminierung, Ausgrenzung
und Gewalt. Depression, soziale Isolation und ein erhöhtes Suizidrisiko können
weitere Folgen sein. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) strich Homosexualität
bereits 1990 von der Liste psychischer Erkrankungen. Der Weltärztebund,
bezeichnete gegen Homosexualität gerichtete Therapien als "ernste Gefährdung für
die Gesundheit und die Menschenrechte". Als erstes europäisches Land verbot
Malta 2015 Konversionstherapien. Auch in Brasilien und mehreren US-Bundesstaaten
gibt es solche Verbote.
Alle Menschen haben das Recht auf Persönlichkeit, auf Schutz vor Diskriminierung
und auf Unterstützung. Trans- und intergeschlechtlichen Menschen wird dies bis
heute verwehrt. Noch immer haben wir ein veraltetes Transsexuellengesetz (TSG),
dass Menschen ihrer Selbstbestimmung beraubt. Denn bis heute dürfen Menschen
nicht selbstständig und ohne Diskriminierung über ihren Geschlechtseintrag
bestimmen. Über den Körper, die Sexualität oder das Geschlecht kann jedoch nur
eine Person Auskunft geben - der Mensch selbst. Wir wollen Rechtsklarheit
schaffen und das Recht eines jeden Menschen auf Selbstbestimmung und freier
Entfaltung seiner Persönlichkeit umsetzen.
Das in der Bundesrepublik existierende Stiefkindadoption ist diskriminierend
gegenüber gleichgeschlechtlichen und nicht binären Elter. Denn im Gegensatz zu
heterosexuellen Paaren, gibt es keine automatische rechtliche Elternschaft für
gleichgeschlechtliche und nicht binäre Elter. Deshalb braucht es endlich eine
Reform des Abstammungsrechts, dass es gleichgeschlechtlichen und nicht binäeren
Elter ermöglicht, von Beginn an gleichberechtigte Elter ihrer Kinder zu sein.
Auch im Jahr 2020 dürfen schwule und bisexuelle Männer, sowie
transgeschlechtliche Menschen immer noch kein Blut spenden, außer sie verzichten
12 Monate lang auf Geschlechtsverkehr mit anderen Männern. Statt tatsächliche
Risiken nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen rational abzuwiegen,
sollen weiterhin ganze Gruppen pauschal von der Blutspende ausgeschlossen
werden. Das ist nicht nur gesundheitspolitisch unsinnig. In der Zeit der kruden
Theorien, wer für die weltweite Pandemie verantwortlich ist, suggeriert das
auch, dass von den diskriminierten Gruppen eine besondere epidemiologische
Gefahr ausgeht.
Schon in Deutschland gibt es mehr als genug auf diesem Themengebiet zu tun. Es
ist dennoch unsere Aufgabe, auch europäisch und global zu denken:
In Polen erleben wir einen Präsidentschaftskandidaten und momentanen Präsidenten
Andrzej Duda, der gegen LSBTIQ+ hetzt, er sich gerade dieses Vorgehen zur
zentralen Wahltaktik auserkoren hat. Duda will durch die Diskriminierung der
queeren Community immer mehr Menschen für seinen autoritären Stil der
Regierungspartei PIS gewinnen. Wenn der Präsident eine "Familiencharta"
unterzeichnet, die sich gegen "LGBT-Ideologie" richtet, dann entmenschlicht er
damit ganze Bevölkerungsteile. Fünf der 16 Regierungsbezirke, 37 Landkreise und
55 Gemeinden in Polen haben sich zu sogenannten LSBTIQ+ freien Zonen erklärt.
Damit wird gezielt Intoleranz und Hass angestachelt.
Ungarn hat die Corona-Pandemie für ein massives, gesellschaftspolitisches
Rollback genutzt. In einem Gesetz zur Bewältigung der Corona-Krise in Artikel 33
versteckt, wurde es trans- und intergeschlechtlichen Personen in Ungarn
unmöglich gemacht ihren Personenstand zum korrekten Geschlecht ändern zu lassen.
Dies stellt einen eklatanten Angriff auf die Rechte von queeren Personen in
Ungarn dar! Außerdem steht das Gesetz klar im Widerspruch zu Rechtssprechungen
des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und zur Rechtssprechung des
Ungarischen Verfassungsgerichtshof.
Eines muss immer klar sein, die Rechte von LSBTIQ+ sind kein Minderheitenthema
sondern eine grundsätzliche Frage von Menschenrechten. Sie sind eine
grundsätzliche Frage von Haltung und gemeinsamen europäischen Werten, die wir in
der Europäischen Union teilen.
2. Ein umfassendes Selbstbestimmungsgesetz als Ablösung des veralteten TSG,
damit die Diskriminierung von trans- und intergeschlechtlichen Personen in
Deutschland beendet wird.
3. Eine Reform des Abstammungsrechts, dass die automatische rechtliche
Elternschaft für Ehepartnerinnen in gleichgeschlechtlichen und nicht binären
Beziehungen möglich wird.
Begründung
Erfolgt mündlich.