Veranstaltung: | 2. Landesmitgliederversammlung 2018 |
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Tagesordnungspunkt: | 7 Leitantrag "Für echte Freiheit im Freistaat - Grundrechte schützen!" |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 21.06.2018, 12:24 |
Antragshistorie: | Version 1 |
L2NEU: Für echte Freiheit im Freistaat – Grundrechte schützen!
Text
Wir erleben eine Zeit, in der die mit Abstand heftigsten Angriffe auf unsere
Grundrechte vom Staat selbst kommen. Die Überwachung aller Menschen wird
systematisch ausgeweitet, Asylbewerber*innen in ihren Rechten wo es nur geht
beschränkt, der Sozialstaat abgebaut. Dazu gehören enorme Eingriffe in das
Versammlungsrecht, das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Asylrecht, das Recht
auf informationelle Selbstbestimmung und weitere. Reihenweise werden Gesetze
geschaffen, die Freiheit zugunsten vermeintlicher Sicherheit einschränken.
Doch Sicherheit ist ohne Freiheit nichts wert - zudem es doch meist eine
vermeintliche Sicherheit ist. Das Risiko besteht, dass Fußfesseln kaum etwas
bringen und die massenhafte Überwachung die Qualität der gewonenen Daten so
mindert, dass Straftaten sogar schwieriger bekämpft werden können. Die heftigen
Sichherheitsgesetze sind damit mehr Symbolpolitik zulasten der Grundrechte, als
sinnvolle sicherheitspolitische Maßnahmen. Diese Entwicklungen beschränken sich
nicht allein auf Sachsen oder Deutschland, sondern ordnen sich ein in einen
Trend autoritärer Politik in Europa und der Welt.
Dem stellen wir uns entgegen. Wir verteidigen als Demokrat*innen die Grundrechte
und setzen uns für die Freiheit aller ein. Geht es um Grundrechte, können wir
unangenehm werden. Wir generieren Aufmerksamkeit für Grundrechtseinschränkungen,
beteiligen uns an vielfältigen Protestformen, Aktionen und wenn nötig Klagen, um
unsere Grundrechte zu schützen.
Die Grundrechte des Grundgesetzes garantieren uns Freiheit und dienen als
Abwehrrechte gegen den Staat. Alle Menschen sollen dazu ermutigt sein, diese
Rechte selbstbewusst einzufordern und die ihnen verbrieften Rechte wahrzunehmen.
Die mit dem allgemeinen Rechtsruck einhergehende Politik der Angst und
Einschüchterung trägt dazu aber nicht bei. Wir kämpfen für eine Politik und ein
gesellschaftliches Klima, die Grunderechte selbstbewusst fördern und sie nicht
aus Angst vor schlechten Wahlergebnissen, Rechten oder einer abstrakten
Terrorismusgefahr leichtfertig opfern.
Der von Rechtsradikalen teils systematisch geschürten Angst muss im
gesellschaftlichen Diskurs begegnet werden. Dazu gehört es unserer Ansicht nach,
diese Strategie aufzudecken, faktenbasiert zu argumentieren, aber auch normativ
für eine weite Auslegung der bürgerlichen Freiheit zu streiten. Dazu gehört es
nicht, das Strafgesetzbuch willkürlich zu erweitern und unverhältnismäßige
Gesetzesverschärfungen als probates politisches Mittel anzuwenden.
In diese Politik der Angst und Freiheitseinschränkungen reiht sich auch die
geplante Novelle des sächsischen Polizeigesetzes ein. Dieses sieht weitreichende
Überwachungsbefugnisse und eine Vorverlagerung der polizeilichen
Eingriffsmöglichkeiten weit vor Begehung einer Straftat vor. Wir kämpfen gegen
das die Grundrechte gefährdende neue Polizeigesetz. Dabei ist für uns klar, dass
wir weder mit reinen Schönheitskorrekturen des Referentenentwurfs, noch mit dem
aktuellen status quo des bisherigen Polizeigesetzes in Sachsen zufrieden sein
können. Wir wollen eine grundsätzliche Abkehr vom in diesen Gesetzen deutlich
werdenden Überwachungsdrang und die weitreichende Garantie der grundgesetzlichen
Freiheit.
Immer weitreichendere Überwachungsgesetze werden im Bund, aber auch im Land
Sachsen geschrieben. Beim Ausbau der Überwachungsmöglichkeiten gerät dabei jeder
ins Visier: überwacht werden alle Bürger*innen gleichermaßen. Zur Überwachung
gehören unter anderem: immer mehr Kameras im öffentlichen Raum, intelligente
Videoüberwachung mit Gesichtserkennung, Telekommunikationsüberwachung, die
Ausrufung von Gefahrengebieten, Vorratsdatenspeicherung und weitere eingreifende
Maßnahmen.
Das zeigt ein tiefes Misstrauen des Staates in seine Bürger*innen. Dabei müssen
wir uns nicht dafür rechtfertigen, dass wir Privatssphäre erhalten wollen - der
Staat muss es, wenn er sie uns nehmen will. Auch das gehört zur Wahrnehmung der
Grundrechte. Wir sind grundsätzlich unverdächtig!
In der geplanten Novelle des sächsichen Polizeigesetz sind die (präventive)
Überwachung der Telekommunikation, die Erhebung von Verkehrs- und Nutzungsdaten,
die Identifizierung und Lokalisierung von Handys, Unterbrechung/Verhinderung der
Telekommunikation und die Erhebung von Bestandsdaten vorgesehen. Diese
ermöglichen eine Ausspähung in weitreichendem Maße. Wir stellen uns gegen
derartige Überwachungsbefugnisse für staatliche Behörden fordern den Schutz der
Privatssphäre.
Zudem lehnen wir die wuchernde Überwachung des öffentlichen Raums strikt ab.
Menschen verhalten sich anders, wenn eine Kamera auf sie gerichtet ist - und
wenn diese dann mit Hilfe intelligenter Technik und Gesichtserkennung in die
Lage versetzt wird, ein ganzes Bewegungsprofil zu erstellen, hat das immense
Auswirkungen auf unser Verhalten. Dabei soll der öffentliche Raum allen Menschen
gemeinsam gehören - ohne, dass diese sich dort permanent beobachtet, analysiert
und überwacht fühlen müssen.
Die sächsische Polizei hat häufig keinen guten Ruf. Immer wieder vorkommende
Fälle von Polizeigewalt, Racial Profiling, Verbindungen von Polizist*innen zu
Rechtsradikalen und mangelnde Transparenz führen dazu, dass viele Menschen die
Zuversicht in die Polizei in Sachsen nicht aufbauen oder verlieren. Das muss
sich ändern!
Fehlverhalten muss konsequent aufgeklärt werden. Um echtes Vertrauen in die
Polizei zu ermöglichen, sind eine anonymisierte Polizeikennzeichnung und eine
unabhängige Beschwerdestelle dringend nötig. Sie sind ein wichtiger Schritt
dafür, dass Polizeigewalt und Machtmissbrauch durch Polizeibeamt*innen
konsequent aufgeklärt werden können. Beide Mittel schaffen mehr Transparenz und
ein höheres Vertrauen in die sächsische Polizei.
Dafür wollen wir künftig in Bündnissen, die Widerstand gegen das
Polizeiaufgabengesetz formieren, mitarbeiten, und den Protest auf die Straße
tragen.
Wir sprechen uns deutlich gegen den Trend zur Militarisierung der Polizei aus.
Wenn das SEK auf einer Demo steht (wie in Wurzen im September 2017), die Polizei
zukünftig Handgranaten erhalten soll oder der Polizeipanzer mit einem
Maschinengewehrturm ausgerüstet werden soll, sind das enorme
Einschüchterungsfaktoren. Es kann nicht sein, dass Menschen sich nicht zu einer
Demo trauen, weil sie bereits durch das militarisierte Auftreten der Polizei
eingeschüchtert sind. Darum muss diese militarisierende Entwicklung JETZT
gestoppt werden.
Auch das Asylrecht ist ein Recht, das wie alle anderen Grundrechte verteidigt
gehört. Dabei nehmen wir es nicht hin, dass das Recht auf Asyl seit Beginn der
1990er Jahre immer weiter ausgehöhlt wurde. Wir sind für eine
Grundgesetzänderung, die die Einschränkungen des Asylrechts zurücknimmt.
Menschen, die gezwungen sind zu fliehen, benötigen Schutz. Dazu braucht es auch
ein klares Bekenntnis im Asylrecht und keine Relativierungen.
Zudem positionieren wir uns klar gegen so genannte Ankerzentren in Sachsen. Dort
sollen Asylsuchende ab ihrer Ankunft bis zu einer Entscheidung (und damit unter
Umständen bis zu ihrer Abschiebung) untergebracht werden. In diesen
Massenunterkünften gibt es häufig fast keine Privatssphäre, die Lärmbelastung
ist hoch, und das enge Zusammenleben auf engem Raum fördert Konflikte. Das ist
gerade für Menschen, die häufig traumatische Erlebnisse hinter sich haben, kaum
zumutbar. Auch Kinder leiden enorm unter diesen Umständen. Außerdem ist der
Zugang für NGOs in Ankerzentren nicht gewährleistet. Beratung über Asylanträge
oder Beschwerden bei unmöglichen Bedingungen werden somit um ein Vielfaches
schwerer. Deswegen fordern wir eine baldige Unterbringung von Asylsuchenden in
Wohnungen, statt Ankerzentren.
Genausowenig wie Ankerzentren sind Abschiebegefängnisse akzeptabel. Es kann
nicht sein, dass Menschen in Haft fest gehalten werden, ohne je eine Straftat
begangen zu haben. Das ist weder mit den Grundrechten, noch mit unserem
Rechtsstaatsverständnis vereinbar. Wir fordern die Schließung sämlticher
Abschiebehaftanstalten.
Wir positionieren uns deutlich gegen Maßnahmen, die die Selbstbestimmung von
Geflüchteten unverhältnismäßig einschränken, wie etwa die reine Verteilung von
Sachleistungen. Diese Maßnahmen zielen allein darauf, Asyl in Deutschland
möglichst unattraktiv zu machen, und so Schutzsuchende abzuschrecken. Eine
dermaßen zynische Praxis muss konsequent abgelehnt werden.
Begründung
Unterstützer*innen
Zustimmung
Änderungsanträge
- L2NEU-054 (Johannes Brink, Eingereicht)